Vivi war langweilig. Stinklangweilig.
Sie seufzte. Ohne wirklich darauf zu achten was sie tat, begann sie ihren Kulli auseinander zu schrauben, bis nur noch die Hülle übrig war.
Nur am Rande bekam sie mit, wie ihr Erdkundelehrer über die Vorzüge der Dreifelderwirtschaft philosophierte und passende Schaubilder an die Tafel zeichnete.
"Mein Gott , ist dir auch so langweilig wie mir" genervt schenkte Vivi Bianca einen Blick zu.
"Nerv mich nicht, seit wann unterhalte ich mich denn mit dir"
„Vivi! Bianca Ist mein Unterricht so langweilig, dass man sich untereinander unterhalten muss um wach zu bleiben?
„Nein, nein!“, antwortete Vivi. „Ich habe Bianca nur eben die…äh…Vorzüge der modernen Landwirtschaftstechnik gegenüber der des Mittelalters erklärt.“
Kommentarlos drehte sich der Lehrer wieder zur Tafel und schrieb einen tabellarischen Vergleich an.
„Wenn du schon lügst, dann mach’s auch richtig.“, flüsterte Bianca ihrer Banknachbarin ins Ohr.
Vivi ließ sich nicht zu einer Antwort herab,denn das war ihr selbst zu blöd.
Sie hatte selbst überhaupt keine lust auf diesen blöden unterricht und konnte es nicht lassen immer mal wieder, ihre sitznachbarin zu pisacken.
„Kannst du nicht einfach mal mitschreiben?“, fauchte sie Bianca an.
Vivi zuckte die Achseln. „Tut mir ja leid, aber mein Stift ist kaputt.“
„Dann setz ihn doch wieder zusammen!“
„Du kannst mir ja deinen leihen.“, erwiderte Vivi.
„Vivi, du machst mich waaaahnsinnig"
Erst jetzt bemerkten die beiden Schülerinnen, dass sich ihre mitschüler, sich zu ihnen gedreht hatten und der Lehrer dummerweise auch.
„Bianca!“, donnerte er. „Vivi! Nach der Schule bleibt ihr hier sitzen, bis ich euch was anderes sage, klar?“
Während Vivi ihn unbeeindruckt anschaute, fluchte Bianca innerlich. Sie hatte noch nie nachsitzen müssen und das hier war noch nicht einmal ihre Schuld.
Den Rest der Stunde saßen beide wortlos nebeneinander ab.
Als es klingelte und alle anderen Schüler zusammen packten, blieben die beiden sitzen.
Der Lehrer setzte sich ans Pult. „Ihr haltet nächste Stunde ein Referat über die Vor- und Nachteile von chemischem Dünger und inwiefern er die moderne Landwirtschaft beeinflusst. Ich korrigiere jetzt Klausuren, was ihr macht ist mir egal. Ich will kein Wort hören, in einer Stunde könnt ihr gehen.“
Wortlos nickten beide Mädchen, während der Lehrer bereits in seiner Tasche kramte.
Bianca entschloss sich, die aufgezwungene Zeit sinnvoll zu nutzen und begann mit den Hausaufgaben.
Vivi hingegen kramte ein kleines Buch und einen Bleistift hervor und begann zu zeichnen.
Als Bianca nach ein paar Minuten einen Blick darauf warf, stellte sie erstaunt fest, dass die Zeichnung durchaus Tiefe besaß und mit Liebe zum Detail versehen war. Dann machte sie sich wieder an ihre Hausaufgaben.
Als die Stunde vorbei war – die Zeit war dank der Arbeit für beide ziemlich schnell vergangen - stand Vivi auf und ließ ihr Skizzenbuch wieder in ihre Tasche gleiten.
Nach kurzem Zögern folgte Bianca ihrem Beispiel und verließ hinter ihr den Raum.
Der Lehrer beachtete sie nicht.
„Dir ist klar, dass das deine Schuld war, oder?“, fragte Bianca, als sie aus dem Gebäude traten.
Die Schwarzhaarige zuckte die Achseln. „Ob man jetzt zu Hause sitzt oder in der Schule, dass ist doch gerade egal.“
„Für dich vielleicht.“
Schweigend gingen sie weiter und stellten fest, dass ihr Weg nach Hause der gleiche war.
Gerade als Vivi in die Straße einbiegen wollte, in der sie wohnte, zuckte sie zurück. Die Hauswand hatte sich bewegt, da war sie sich sicher.
Bianca, die Vivis Bewegung aus den Augenwinkeln gesehen hatte, drehte sich um.
„Ist was?“
„Da hat sich was bewegt.“
Bianca runzelte die Stirn. „Wo?“
„Da, an der Wand.“
Vivi hatte recht, die Wand waberte irgendwie.
Gerade als die Schwarzhaarige vorsichtig die Hand ausstreckte, wurde die Wand durchsichtig. Aber man sah nicht ins Innere des Hauses, sondern eine seltsame karge Landschaft.
„Was ist das?“, flüsterte Bianca und streckte ihre Hand aus, um die immer noch wabernde Fläche zu berühren.
„Vielleicht eine optische Täuschung.“, schlug Vivi vor.
Bianca Fingerspitzen berührten die Stelle der Wand, wo eigentlich eine Mauer hätte sein sollen. Kein Widerstand.
Langsam streckte sie ihren Arm weiter aus. Und dann war da der Strudel, der an ihr riss und sie in die Mauer zog.
Vivi schrie auf und warf sich zurück aber es nützte nichts. Keine Sekunde und doch ein gefühlte Ewigkeit später war es vorbei. Sie stand nicht mehr auf der Straße. Unter ihr war ein karger Boden, über ihr ein blauer Himmel und neben ihr Bianca, die entsetzt auf die Knie sank.
"Wo zur Hölle sind wir?"
, fragte Bianca als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
„Ich habe keine Ahnung.“, gestand Vivi, die sich um ihre eigene Achse drehte, um die Landschaft besser im Augenschein zu nehmen. „Es sieht aber danach aus, als wären wir in der Wüste gelandet.“
„Scheint wohl so.“; stimmte Bianca ihr zu, nachdem sie ihre Umgebung ebenso unter die Lupe nahm. Um sie herum befand sich nichts weiter als Sand. Ab und an ragte ein Kaktus aus dem Boden hervor, doch ansonsten war nichts zu sehen.
„Nur wie kann das sein?“
Ahnungslos zuckte Vivi die Schultern. „Keine Ahnung. Eines steht jedoch fest. Wenn wir hier weiter einfach nur dumm herumstehen, finden wir darauf keine Antwort.“
Mit diesen Worten marschierte die Schwarzhaarige in irgendeine Richtung. Sie war sich sicher, dass sie irgendwann schon noch auf jemanden treffen würden, der ihnen verraten könnte, wo sie sich genau aufhielten.
„Hey, nun warte doch mal!“, rief Bianca ihr hinter her. So schnell wie sie konnte stand sie auf und rannte ihrer Klassenkameradin hinterher. Als sie sie eingeholt hatte, lief sie mit ihr im Schritttempo weiter und klopfte sich nebenbei den überschüssigen Sand von ihrem Kleid ab.
„Weißt du überhaupt wo du hinläufst?“, stellte bianca ihr die Frage und schaute sie fragend an.
„Nö.“, war die knappe Antwort.
„Woher willst du dann wissen, dass wir nicht den falschen Weg eingeschlagen haben?“
Genervt seufzte sie.
„Kannst du auch was anderes, außer mich mit deinen Fragen zu löchern? Ich weiß im Moment genauso viel wie du und dieses beschränkt sich nur darauf, dass wir beide uns aus irgendeinem Grund plötzlich in der Wüste befinden. Dumm herumzustehen bringt uns da auch nicht weiter.“
„Das mag vielleicht sein, aber willkürlich in der Wüste herumzutigern wird uns sicherlich auch nicht viel bringen.“, gab Vivi ihrer Leidensgenossin zu verstehen.
„Wenn du einen besseren Vorschlag hast, dann nur zu.“
Abrupt blieb Vivi stehen. Bianca tat es ihr gleich.
„Nun am besten wir versuchen erst einmal, ob unsere Handys überhaupt funktionieren. Wenn dies nämlich der Fall wäre, könnten wir unseren Eltern Bescheid geben.“, schlug Bianca ihr vor und kramte bereits in ihrem Rucksack herum. „Bestimmt machen sie sich schon sorgen.“
Sie wartete bereits auf das Freizeichen ihres Handys. Doch war nichts zu hören.
„Seltsam...“
Abermals probierte sie bei sich zu Hause anzurufen, jedoch schlug auch dieser Versuch wieder fehl.
„Das kann doch nicht sein.“
„Was ist denn?“, wandte sich Vivi wieder an die tochter der Capsule Corp
„Es scheint so, als wenn wir in einem Funkloch stecken würden. Ich bekomme einfach keinen Empfang.“, erklärte sie es ihr.
„Was?“ Ungläubig holte auch Vivi ihr Handy aus der Schultasche und schaute auf den Signalbalken. „Verflucht, du hast recht. Ich habe auch kein Empfang.“
Frustriert über diese Tatsache steckte Vivi ihr Handy wieder weg und überlegte bereits angestrengt wie sie nun am Besten weiter fortgehen sollten. Während sie nachdachte verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und schloss ihre Augen, um sich nur auf die Lösung ihres Problems zu beschränken und sich nicht von anderen Sachen stören zu lassen.
„Hast du noch mehr von dieses brillanten Ideen parat?“, fragte Bianca sie sarkastisch nach, nachdem sie ihr Handy ebenfalls weggelegt hatte.
„Nun halt doch mal den Mund, ich überlege doch schon.“, antwortete Vivi ihr gereizt.
„Dann überlege gefälligst schneller!“, forderte Bianca sie auf und wippte ungeduldig mit ihrem rechten Fuß auf und ab.
Nach einer Weile wurde es der Schwarzhaarigen jedoch zu viel und schrie die türkishaarige regelrecht an.
„Könntest du wohl endlich mal deinen Fuß still halten? Wie soll man sich denn da vernünftig konzentrieren?!“
Doch das ließ sich Bianca nicht gefallen und brüllte sie ebenso lautstark an.
„Nun halt aber mal die Luft an. Nur weil dir nichts besser einfällt brauchst du mich noch lange nicht anzuschreien!“
„Ich soll die Luft anhalten? Wessen Schuld ist es denn, dass wir uns nun hier in diesem Schlamassel und befinden?“
„Ach, du denkst also das es meine Schuld?“
„Natürlich wessen sonst? Wegen dir mussten wir schließlich nachsitzen!“, erinnerte sie Vivi wütend.
„Oh nein, musste das kleine Prinzessin etwa mal nachsitzen? Wie schrecklich, nun geht wohl die Welt für dich unter!“
„Wie hast du mich gerade genannt?“
„Hörst du etwa schlecht?“
Bevor der Streit aber weiter ausarten konnte, schreckten beide zurück als sie eine ohrenbetäubende Explosion vernahmen. Schützend hielten sich beide die Ohren zu und duckten sich reflexartig als eine riesige Druckwelle auf die beiden zukam
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